„Was gut ist“ (Micha 6,6-8)

Wisst Ihr eigentlich, was gut ist? Was gut ist im Leben? Also ich meine jetzt nicht so wie im Supermarkt, welches Waschmittel gut ist, welcher MP3-Player angesagt ist oder welche Klamotten die Leute gut finden. Es geht nicht um Dinge.

Nein, was ist gut für Euch? Für Euer Leben? Was tut Euch gut?

Ja, was tut mir gut? Sicher gibt es hier und heute Morgen viele Antworten auf diese Frage. Massagen, Sauna, Musik, Freizeit, Entspannung, ein guter Krimi, Urlaub in den Bergen… Das persönliche Wellness-Programm sieht für jede und jeden von uns ganz unterschiedlich aus.

Wenn wir wissen, was uns gut tut, dann sind wir schon gut dabei. Denn für viele Menschen ist es gar nicht selbstverständlich, dass sie wissen, was gut ist und was ihnen eigentlich gut tun würde. Viele wissen es nicht.

Das geht durch alle Altersschichten: Die Jugendlichen zum Beispiel müssen erst einmal einen Überblick bekommen, was es alles so gibt im Leben. Und sie müssen dann ausprobieren, was ihnen davon gut tut – und was eher nicht.

Für die Eltern ist das oft eine schwierige Übung: Irgendwann die Kinder loslassen und sie ihre eigenen Erfahrungen machen lassen mit Alkohol, Weltanschauungen, Sexualität.

Eigene Erfahrungen machen, was gut ist – das kann kein Unterricht ersetzen, und sei er noch so pädagogisch wertvoll. Da helfen auch keine gut gemeinten Ratschläge

Aber auch die Älteren haben es nicht immer leicht, zu wissen was gut ist. Ich kann mir vorstellen, dass viele das erst lernen müssen. Wie viele von uns haben in ihrer Kindheit und Jugend und dann im Erwachsenenalter nicht darüber nachgedacht, was ihnen selbst gut tun könnte. Immer waren die anderen dran: sich kümmern um die Familie, den Beruf, die Partnerschaft – allen Ansprüchen gerecht werden. Da ist es dann ein völlig neuer Lernprozess, darüber nachzudenken, was mir eigentlich gut tut. Ein Lernprozess, für den es übrigens nie zu spät ist!

Wer weiß, was ihm oder ihr gut tut, der kennt sich selbst, der kennt seine eigenen Stärken und Grenzen.

Aber es gibt auch Menschen, die glauben, sie wüssten, was gut für andere ist. Die mischen sich ein, meistens ohne, dass man sie gefragt hätte. Lehrer, Pfarrer, Eltern, Großeltern, Geschwister…

Und die haben dann immer einen gut gemeinten Tipp parat, wie man es gut oder natürlich noch besser machen könnte im Leben. Ihre „Ratschläge“ können schnell „Schläge“ werden. Und: das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.

Deshalb bin ich immer sehr vorsichtig, wenn mir einer sagen will, was für mich gut sein soll. Der Spruch des Propheten Micha zur Predigt heute ist so ein Wort, das sagt, was gut ist:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir fordert, nichts anderes als Recht tun und Güte lieben und besonnen mitgehen mit deinem Gott.

Hier spricht der Prophet. Amen. Halleluja! Ist er auch so einer, der weiß, was für andere gut ist und seinen Rat auch noch als Gottes Wort ausgibt? Es klingt fast so. Aber ich glaube nicht, dass er es so meint. Denn der Prophet spricht nicht einfach darauf los und haut uns seinen klugen Spruch um die Ohren.

Nein, er antwortet auf die Verzweiflung der Menschen, die schon gar nicht mehr wissen, was gut ist. Sie haben es einfach vergessen im Alltagsgeschäft. Vor lauter Geld verdienen, auf der Suche nach Sicherheit und dem eigenen Vorteil haben sie aus den Augen verloren, was eigentlich gut für sie ist, was ihnen gut tun würde.

An irgendeiner Stelle merken sie dann, dass da  was schief gelaufen ist in ihrem Leben. Die soziale Ordnung stimmt nicht mehr. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Die einen schotten sich gegen die anderen ab trotz globalisierter Vernetzung.

Menschliche Standards fehlen, Ausbeutung und Selbstausbeutung ist an der Tagesordnung. Keiner weiß mehr so genau, wie er mit sich und dem anderen umgehen soll. Manieren oder Umgangsformen sind schlicht aus dem Gedächtnis gerutscht.

Und so fragen sie den Propheten: Was müssen wir tun, dass es uns wieder gut geht? Was ist das Gute, das wir aus dem Blick verloren haben? Und was sollen wir aufgeben? Was opfern? Kälber und Widder, Öl und sogar die erstgeborenen Söhne? Sollen wir unseren Wohlstand opfern? Sollen wir das opfern, was uns scheinbar Sicherheit gibt? Unsere Versicherungen auflösen und die Konten plündern? Können wir damit etwas wieder gutmachen?

Und der Prophet hat darauf eine klare Antwort: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir fordert, nichts anderes als Recht tun und Güte lieben und besonnen mitgehen mit deinem Gott.

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist. Du Mensch, Adam, du weißt doch schon längst, was gut ist, was das Leben von dir fordert, damit du ein gutes Leben führen kannst. Du weißt es seit dem Moment, da du gemacht wurdest. Tief in dir drin, da ist ein Gespür, das dir eingehaucht ist vom Leben selbst, vom Lebendigen. Spüre dem nach, höre auf die innere Stimme, die im Getöse der Welt so oft und leicht untergeht. Sie wird dich daran erinnern, was gut ist: Dass du deine Verbindung zum Lebensstrom nicht abbrichst, den Kontakt zur Quelle nicht verlierst. Denn was wärest du alleine auf der Welt?

Du bist Teil eines Ganzen, herausgebrochen zwar, aber mit Sehnsucht auf dem Weg. Tue Recht, wo es für andere verletzt wird. Achte auf dein Gewissen, das dich warnt, wenn ein anderer Unrecht leiden muss. Niemand anderes kann in solchen Augenblicken die Welt retten als du allein.

Und liebe die Güte, die im anderen immer ein Spiegelbild des Lebendigen sieht. Dein Herz ist am rechten Fleck, es lässt sich erwärmen und ist groß genug für den Menschen der dir gegenüber ist, der auch nicht ohne Fehler aber mit der gleichen Sehnsucht ausgestattet ist wie du. Und bleibe offen für alles, was dich in Frage stellt. Dein wacher Geist merkt schnell, was alles in der Welt ein Gebilde ist, von Menschen geschaffen, von Menschen eingerissen. Wer sich selbst und seine eigenen Gedanken nicht absolut setzt, bleibt lebendig. Das alles ist gut. So spricht der Prophet.

Was ist gut? Und was tut uns gut? Die Antwort des Propheten gibt mir echt zu denken. Ich frage mich immer noch, was gut ist. Was ich von Micha verstanden habe, ist folgendes: jenseits von allen privaten Wellness-Vorstellungen geht es tatsächlich darum, dass uns genau das gut tut, was allen gut tut.

Das klingt vielleicht jetzt ein bisschen banal, aber wir Menschen sind auf Gemeinschaft angewiesen. Wir brauchen andere Menschen zum Leben. Ja, wir brauchen immer wieder ein Gegenüber, den freundlichen Blick eines Mitmenschen, um gut leben zu können. Wenn es der Gesellschaft, in der wir leben, gut geht, dann geht es uns auch gut.

Und was der Gemeinschaft gut tut, das tut uns gut. Der einzelne Mensch und die Menschheit – diese Verbindung kann man nicht trennen, ohne dabei sich selbst zu verlieren. Und vielleicht bedeutet es ja genau das: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit Gott. Mit anderen Worten: Beziehungen pflegen, mich einsetzen für andere, mir aber auch helfen lassen, wo ich alleine nicht weiter komme. Und nicht meine eigenen Interessen ausspielen lassen gegen die der ganzen Menschheit, des Planeten, der Schöpfung.

Das ist nicht immer leicht zu durchschauen. Und im Alltag werden wir manchmal wunderbar daran scheitern, das Gute zu tun, sich für das Gute zu entscheiden. Aber wenn wir einsehen, dass wir ohne die anderen nichts sind, dann scheint darin vielleicht das Gute auf. Vielleicht.

Amen.

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