„Weiße Weihnacht“ (Christvesper)

Habt Ihr es schon gemerkt? Es ist Heilig Abend – und kein Schnee! Heute Morgen schon habe ich gleich aus dem Fenster geschaut, voller Erwartung! Und ich muss Euch sagen: Ich war enttäuscht. Schon wieder keine Weiße Weihnachten…

Es ist doch komisch: Jedes Jahr ist es dasselbe mit dem Schnee. Die ganze Adventszeit über werde ich zugedudelt in den Geschäften mit Liedern, die mir „White Christmas“ versprechen. Ich bummele an Schaufenstern vorbei, in denen mir die perfekte Weihnachtskulisse geboten wird: Da finde ich die Krippe mit Kind, entrückte Eltern, jubilierende Rauschgoldengel und abgewetzte Hirten neben den mir etwas zu hochnäsig dreinschauenden Königen. Und das alles natürlich in astreinem Kunstschnee.

Früher hat man für die Deko einfach Watte genommen. Heute kommt das künstliche Weiß aus der Sprühdose. Sogar im Weltladen ist es sanft an die Fenster gehaucht um dem Geschäft einen weihnachtlichen Anstrich zu geben. Und auch im Radio geht es seit Tagen in den Wettervorhersagen nur noch um die alles entscheidende Frage, wann denn „Schneeflöckchen Weißröckchen“ endlich geschneit kommt.

Als Kind war das schon so bei mir. Ich träumte regelmäßig von der weißen Weihnacht und dieser Traum hat sich in meinen 33 Jahren vielleicht drei oder viermal erfüllt. Ansonsten spielt die Schneefallgrenze bei uns am Main keine Rolle in dieser Jahreszeit. Wir dürfen schon froh sein, wenn es nicht wie so oft ein schauriges Regenwetter gibt. Nur die Älteren unter uns können sich noch an die eine oder andere weiße Weihnacht erinnern. Aber das war lange vor dem Klimawandel…

Und doch gilt der Schnee als etwas, das in meiner Vorstellung von Weihnachten dazu gehört so wie Engel und Christkind. Und damit bin ich nicht alleine. Nicht nur bei uns, auch überall sonst in der Welt gehört der Schnee dazu: Ob in Brasilien oder Neuseeland, wo jetzt gerade Sommer ist. Da stehen die Menschen in kurzen Hosen vor den Schaufenstern und freuen sich über den kunstschneebedeckten Stall von Bethlehem.

Je länger ich darüber nachdenke, desto seltsamer finde ich das. Denn in der Geschichte von der Geburt Jesu, wie wir sie gerade ja wieder gehört haben, da wird nicht erwähnt, wie das Wetter gewesen ist. Gut, es war dunkle Nacht und da kann es in Israel auch mal ordentlich kalt werden. Aber dass Maria und Josef sich durch dreißig Zentimeter Neuschnee kämpfen mussten, das wird nirgends berichtet.

Irgendwie muss sich der Schnee in unsere Vorstellung von Weihnachten hinein geschlichen haben. Ich weiß nicht wie, aber ich kann Euch sagen: Auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen – dieses Weihnachten wird es nicht weiß werden und die nächsten Jahre vermutlich auch nicht.

Was wäre das auch für ein Fest, wenn es dabei ganz nach unseren Wünschen ginge? Wir Menschen glauben ja oft genug, dass wir alles in der Hand haben. Wohin das in der Welt führen kann, erleben wir jeden Tag in den Nachrichten. Nein Danke, es braucht lieber nicht immer nach den Vorstellungen von uns Menschen zu gehen.

Unsere Vorbereitungen für das Weihnachtsfest treffen wir ja schon mit großer Präzision. Die Geschenke sind besorgt und die Wohnungen hergerichtet. Das Essen ist vorbereitet, die Gäste kommen noch oder sind schon da. Hoffentlich klappt alles so, wie wir uns das vorstellen. Hoffentlich kommt nichts dazwischen. Aber am Ende kommt doch vieles anders – und es wird nicht unbedingt schlechter dadurch.

Weihnachten kommt und es richtet sich nicht nach unseren Vorstellungen. Das war schon vor 2000 Jahren so, als die Ankunft des Friedefürsten, des neuen Königs erwartet wurde. Natürlich sind die drei weisen Sterndeuter aus dem Morgenland erstmal zum Königspalast nach Jerusalem gereist. Denn wo sonst würde man einen solchen Nachwuchskönig suchen?

Aber Fehlanzeige. Nichts zu machen. Und dass sich Gott ausgerechnet einen kalten, verlassenen Stall ausgesucht hat um Mensch zu werden, das war auch nicht ganz nach dem Geschmack der Leute. Die Hirten, die für sich den Platz in der ersten Reihe bei diesem Spektakel reklamieren können, die waren keine sehr vertrauenswürdigen Zeitgenossen. Und die sollten es nun aller Welt verkündigen, dass der Heiland geboren ist.

Also entweder muss Gott eine Menge Humor haben oder das hat Programm. Wahrscheinlich ist es von beidem ein bisschen. Denn wenn wir uns den Lebenslauf anschauen von diesem Kind, dass da an Weihnachten noch zart und schutzlos im Futtertrog liegt, dann merken wir: Es ist tatsächlich so. Gott ist in Jesus Mensch geworden, um uns zu zeigen, wie auch wir menschlich werden können. Und das geschieht eben nicht immer nach unseren Vorstellungen.

Man könnte sagen, Gott setzt einen Gegenentwurf zu dem, wie es in dieser Welt leider viel zu oft abläuft. Schon zur damaligen Zeit wollten die Reichen immer reicher werden. Und die, die kaum was hatten zum leben, die mussten immer herumknapsen. Wer Geld hatte, der hatte Einfluss und konnte den Lauf der Dinge mitbestimmen. Der konnte sich einen guten Arzt oder eine Anwalt leisten.

Und dann tritt da dieser Jesus auf und mitten hinein in das Leben der einfachen Leute. Er hat die Verrückten geheilt, indem er ihnen zugehört hat. Endlich mal einer, der nicht gleich wegläuft. Endlich mal einer, der ausreden lässt. Wer ihm begegnete, wurde geheilt, ja wurde heil. Lahme und Blinde, Verkrüppelte und Ausgestoßene – Jesus brauchte dazu keinen Zauberstab wie Harry Potter, sondern wandte sich den Menschen und gewann ihr Vertrauen. Und selbst, als viele anfingen, in ihm den neuen sozialen Revoluzzer zu sehen, da hat er die Erwartungen wieder enttäuscht und ist tatsächlich bei den Reichen eingekehrt. Das passte zwar gar nicht zu der Vorstellung, die er sonst gab. Aber auch bei ihnen ist er auf offene Ohren und offene Herzen gestoßen.

Vom korrupten Zöllner bis zum Hauptmann der Reserve – er hat sie alle in seinen Bann gezogen. Gerade dadurch, dass er die menschlichen Erwartungen immer wieder durchkreuzt hat. So ist das wohl gewesen mit ihm, dessen Geburt wir heute feiern. Zumindest glauben Christinnen und Christen daran. Wir glauben daran, dass durch diese Geburt Gott menschlich geworden. Dass Gott uns so nahe gekommen ist, wie man sich das von einem Gott bis dahin nicht vorstellen konnte.

Wenn ich genauer überlege, dann ist das doch eine sehr ungewöhnliche Geschichte. Mal ganz abgesehen von dem ganzen Weihnachtstrubel, den wir so veranstalten mit Kunstschnee und Wattebausch.

Weihnachten kommt auch ohne Schnee. Jedes Jahr erleben wir es neu. Gott hält sich nicht an unsere Erwartungen. Zum Glück! Denn die Wirklichkeit sieht eben doch meistens anders aus. Harmonie in der Familie, Zufriedenheit mit den Geschenken und dass es allen schmeckt – das wünschen wir uns wie das passende romantische Wetter dazu, na klar!

Aber an solchen äußeren Dingen hängt es nicht, ob Weihnachten wird. Das wäre schlimm! Gott kommt zu uns Menschen, kommt auf eine ganz eigene Art. Gott wird menschlich, damit auch wir menschlich werden können. Im Umgang miteinander und mit dieser Welt.

Weihnachten wird. Und es hat schon angefangen. Ganz ohne Schnee!

Amen.

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