Nun geht das Jahr 2021 zu Ende. Was für ein Jahr war das eigentlich? Wie bei so vielem gibt es da mindestens zwei Perspektiven. Als Land, Gesellschaft, als Welt und wir können ganz persönlich drauf schauen. Was war das für ein Jahr?
Im großen Zusammenhang bleiben die großen Fragen stehen: Wie gehen wir mit der Pandemie um? Was ist richtig, was ist hilfreich? Und was ist nötig, auch wenn es Menschen trennt? Wie geht es weiter mit dem Klimawandel? Was können wir dagegen tun? Was wollen wir dagegen tun?
Und sonst? Die Welt rückt immer näher zusammen, doch die Unterschiede zwischen arm und reich, Kriegs- und Friedensgebieten sind so groß wie noch nie. Man könnte noch viel mehr fragen, klar!
Aber neben all den großen Fragen sind da ja noch die ganz persönlichen: Was war das für ein Jahr für mich ganz persönlich? Für dich? Alles im Zeichen der Pandemie zwar, aber doch sehr unterschiedlich. Was ist mir trotz allem gelungen? Wo habe ich mich aufgehoben gefühlt? Was hat mir Sicherheit gegeben? Was Geborgenheit? Von wem musste ich mich trennen? Welche Freundschaften sind eingeschlafen? Wo gingen wir im Streit auseinander – ohne Aussicht auf Versöhnung?
Es sind viele Gedanken, viele Fragen und leider so wenige richtige Antworten.
Aber was mir in diesem Jahr am meisten aufgefallen ist und worunter ich auch leide, ist die Spaltung, die sich überall zeigt. Ob im Freundeskreis, in der Familie, im Dorf oder in der Kirchengemeinde – überall erlebe ich, wie Menschen auseinanderdriften. Etwa bei der Frage, wie wir die Pandemie möglichst schnell beenden können. Welche Maßnahmen sind angemessen und notwendig und welche gefährden uns auf andere Weise? Wie geht es eigentlich den Kindern und Jugendlichen in der ganzen Situation?
Ich habe in diesem Jahr so viel mit Menschen diskutiert und nicht immer waren wir uns einig. Das war für beide Seiten wohl schwer auszuhalten. Auch wie wir die anderen Herausforderungen unserer Zeit lösen, hat uns nicht gerade zusammengebracht. Gibt es echte Alternativen zum Verbrennungsmotor? Schaffen wir bald eine echte Energiewende, die sich auch diejenigen leisten können, die nicht auf Rosen gebettet sind?
Und wie sieht eigentlich die Zukunft der Kirche aus? Diese Frage stellt sich uns in Immensen schon seit längerer Zeit. Aber in diesem Jahr haben wir dazu Fakten geschaffen, haben uns konsequent für eine Richtung entscheiden – und damit nicht nur Zustimmung geerntet. Das Pfarrhaus verkauft, hinter dem Dorfladen ein kleiner Neubau, in der Kirche Stühle statt Bänke. Der neue Kirchenvorplatz… Mit diesen Weichenstellungen haben wir sicher auch Menschen vor den Kopf gestoßen und abgeschreckt.
Nun kommt 2022 und der Blick richtet sich nach vorne. Was kommt? Wird die Pandemie im nächsten Jahr zu Ende gehen? Wie können wir als Gesellschaft, als Gemeinschaft wieder Wege zueinander finden? Gemeinsam schaffen wir mehr, das weiß jedes Kind, dass mal in einer Fußballmannschaft gespielt hat.
Die Jahreslosung für 2022 gibt mir Hoffnung! Jesus sagt:
„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
(Johannes 6,37)
Als wäre dieser Satz aus dem Neuen Testament für unsere Zeit, für das kommende Jahr ausgewählt worden. Radikal wendet sich Jesus allen zu, die zu ihm kommen. Manchmal lässt er lieber Taten statt Worte sprechen:
Jesus hat viele Ausgrenzungen seiner Zeit überwunden und mit Menschen gegessen, gefeiert und geredet. Er liebt die Gemeinschaft mit Menschen, hat keine Vorbehalte, sondern spricht ihnen Anerkennung zu.
Jesus sieht es sogar als seinen Auftrag, diejenigen zu suchen, die verloren und ausgegrenzt sind. In der Bibel ist von Zöllnern, Prostituierten und Kranken die Rede. Heute würde man vielleicht noch andere Menschen dazuzählen, manchmal gehöre auch ich zu denen, die gesucht und hineingenommen werden möchten.
So entsteht eine inklusive Gemeinschaft. Eine Kirche, die nicht ausgrenzt, sondern immer wieder Verbindungen schafft. Wo Menschen zusammen sein können, egal wie alt oder jung sie sind, wie reich oder arm, wie fromm oder zweifelnd, kritisch oder begeistert.
Eine solche Gemeinschaft wollen wir sein, als St. Antonius Immensen und ab Anfang 2022 auch als Gesamtkirchengemeinde Lehrter Land. Können wir ein Ort sein, der Menschen verbindet. Eine Gemeinschaft, die – so wie Jesus -niemanden abweist. Wer kommt, ist willkommen! Können wir das?
Ich spüre bei mir, dass in dieser Zeit die Kraft knapp ist. Aber darin steckt auch Energie. Denn ich ahne, dass es genau auf solche Gemeinschaften ankommt, auf eine solche Haltung, die niemanden abweist. Auch nicht die, die hilflos auf dem Mittelmeer treiben, auf der Flucht vor Krieg. Kinder, Frauen und Männer. Ich möchte im neuen Jahr eine Haltung einüben, die sich nicht beteiligt an der Ausgrenzung. Medizinische Maßnahmen – ja. Aber nicht in Diskussionen oder Kommentarspalten die Debatte anheizen mit gegenseitigen Vorwürfen. Nicht im Dorf hinter dem Rücken anderer lästern.
Mit der Jahreslosung im Herzen kann 2022 zu einem Jahr der Heilung werden. Denn Inklusion heilt. Gemeinschaft kann heilen, wenn jede und jeder darin einen echten Platz findet. Wenn sie offen ist nicht nur für Menschen, sondern auch für Ideen und Begabungen.
Jesus sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Lassen wir das neue Jahr zu uns kommen und empfangen es mit offenen Armen!
Amen.