„Heiliger Strohsack“ – Jubelkonfirmation! (1. These 4,1-8)

Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus – da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen Heiligen Geist in euch gibt.

Nun hat der Herbst auch hier Einzug gehalten. Die Blätter färben sich bunt, die Ernte ist eingefahren – sofern es was zu ernten gab.

Mit dem Herbst beginnt so Einiges: Unter anderem beginnen bald auch die neuen Vorkonfirmanden mit ihrer hoffentlich erlebnisreichen Zeit in unserer Gemeinde. In drei Wochen werden sie hier ganz besonders begrüßt und dann geht es für sie richtig los.

Wir als Kirchengemeinde begleiten die jungen Leute auf ihrem Weg zur Konfirmation und wollen für sie und ihre Fragen da sein, ihnen eine Heimat zu geben, eine Heimat des Glaubens.

Ja, wir wollen den Jugendlichen die Botschaft von der Liebe Gottes weitergeben, so wie sie uns immer wieder in Jesus Christus begegnet. In einer stürmischen Phase des Lebens, auf der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenwerden, wollen wir ihnen Mut machen. Mut, den eigenen Weg zu gehen, eigene Standpunkte zu entwickeln, immer wieder nach dem Sinn des Lebens zu fragen und den Blick voller Hoffnung auf die Zukunft zu lenken.

Heute aber ist keine Konfirmation! Nicht wirklich. Heute geht der Blick zurück in die Vergangenheit, in die Jahre 1946, 1951, 1956 und 1966.

Das ist jetzt 50 bis 70 Jahre her. Aber manche Dinge waren so ganz anders als heute wohl nicht. Gut, damals wurden noch richtige Prüfungen abgehalten. Da musste ordentlich Lernstoff auswendig gepaukt und vor der versammelten Gemeinde aufgesagt werden. Und manch einer denkt sich vielleicht, dass es die Konfirmanden von heute viel zu einfach haben.

Aber auch damals, da bin ich mir sicher, waren es junge Leute, die vor den Altar getreten sind. Auch sie auf der Grenze, auch sie lebenshungrig, beladen mit Hoffnungen und Ängsten, genauso interessiert oder gelangweilt, genauso brav oder frech wie die heutigen Konfis.

Auch sie hatten eine unsichere Zukunft vor sich, besonders diejenigen, die 1946, direkt nach dem Krieg konfirmiert wurden. Wir können heute nur noch erahnen, wie die Umstände damals waren, wie sehr die Sorge um die Zukunft den Familien zu schaffen machte. Und wie dringend nötig damals Mut und Hoffnung waren.

1951 war diese Verunsicherung vielleicht schon nicht mehr so spürbar. Die noch junge Republik begann, sich zu entwickeln. Demokratie musste gelernt und geübt werden, auch in den Familien. (Das scheint mir übrigens heute fast schon wieder genauso wichtig zu sein – zumindest in manchen Teilen unseres Landes.) Und die Jahrgänge 1956 und 66 sollten dann in einer Zeit konfirmiert werden, die gemeinhin als Zeit des Wirtschaftswunders in der deutschen Geschichte bezeichnet wird. So manche Konfirmationsfeier stand damals wohl im Zeichen des Aufschwungs, der das Land erfasst hatte.

Aber davon mal abgesehen, ist es immer wieder dasselbe mit der Konfirmation, ob vor 50 Jahren oder vor 5. Niemand weiß genau, was die Zukunft der Jugend bringt. Damals nicht und heute nicht. Niemand kann vorhersehen, wie das Leben spielt, welche Wege wir gehen, auf wen wir dabei treffen oder wohin es uns verschlägt. Und wenn wir dann mal innehalten und zurückschauen auf den bisherigen Lebensweg, dann kann einem schon ganz schön schwindelig werden.

Wir haben vorhin den Predigttext bereits in der Lesung gehört. Paulus schreibt der Gemeinde in Thessaloniki, weil er spürt, dass in dieser noch junge Gemeinschaft nicht alles rund läuft. Scheinbar wird manchen dort schwindelig bei der Vorstellung, dass ihr Leben ganz Gott gehören soll. Oder mit den Worten von Paulus: Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung.

Ja, wie soll, wie kann man sein Leben so gestalten, dass es „heilig“ ist, also dem Willen Gottes entspricht? Eine Frage, die nicht nur Konfis damals und heute verbindet.

Paulus selbst nennt zwei Beispiele dafür: die Treue zwischen Eheleuten und ehrliche Handelsbeziehungen.

Bei allen Fragen der Sexualität haben wir heute vielleicht ein etwas offeneres Verständnis als die ersten Christen oder sogar noch vor 50, 60 oder 70 Jahren. Aber damals wie heute gilt es, aufrichtig miteinander umzugehen. Egal, ob verheiratet, „verpartnert“, oder wie man sonst verbindlich miteinander leben will. Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung, zwischen Menschen und zu Gott.

Und der so genannte „faire“ Handel ist nicht erst seit kurzem eine wichtige Angelegenheit, der sich auch und vor allem christliche Kirchen angenommen haben: Da geht es um globale Handelsbeziehungen, bei denen nicht niedrige Preise im Discounterregal das wichtigste sind, sondern wo alle, die bei Produktion und Verkauf beteiligt sind, das bekommen, was sie verdienen. Was sie zum Leben brauchen.

Diese beiden Beispiele von Paulus wollen etwas Grundsätzliches zum Thema „Heiligung“ beschreiben: wenn wir aufrichtig miteinander umgehen, wenn wir einen fairen Umgang miteinander suchen, ganz egal woher wir kommen, welcher Kultur wir entstammen, ja sogar auch welcher Religion wir angehören!

Wenn wir offen und wohlwollend miteinander umgehen, dann beherzigen wir ganz viel von dem, was Gott von uns Menschen will. „Heiligung“ meint dann nichts anderes, als aufrecht durchs Leben zu gehen, dabei den Nächsten nicht aus dem Blick zu verlieren. Und offen zu bleiben für Gott, für Gottes Anfragen an uns und die Art, wie wir unser Leben gestalten.

Liebe Jubelkonfirmanden, ein halbes Jahrhundert oder noch länger ist es her, dass Sie konfirmiert wurden. Was ist nicht alles in diesen Jahrzehnten passiert? Auf der politischen Bühne etwa das Wirtschaftswunder, der deutsche Herbst, der Zusammenbruch der DDR, Globalisierung und neuerdings auch die „Flüchtlingskrise“.

Aber auch in Ihren eigenen Lebensläufen, so ganz persönlich. Da war und ist auch einiges los. Familien wurden gegründet, das Berufsleben bis schon in den Ruhestand, Freundinnen und Freunde, Hobbies, glückliche Momente oder auch mancher Schicksalsschlag – ja, seit Ihrer Konfirmation ist wirklich viel Wasser die Burgdorfer Aue heruntergeflossen.

Dabei hat das Leben nicht nur helle Augenblicke voller Freude für uns parat. Das wissen alle Menschen mit ein bisschen Lebenserfahrung.

Und auch heute, wenn wir schauen, wer nicht hier sein kann von den Jubilaren, wenn wir feststellen wer fehlt, wer schon gestorben ist, dann wird es uns schmerzlich bewusst, dass das Leben manchmal und ehrlich gesagt immer wieder auch Verlust bedeutet.

Ich glaube, es ist gut, wenn wir an alle denken, die heute aus den verschiedenen Gründen nicht da sind. Dazu will ich eine Kerze am Osterlicht entzünden. Sie soll hell leuchten und uns daran erinnern, dass wir als Christinnen und Christen in einer Gemeinschaft leben, die mit dem Tod nicht zu Ende ist.

„Heiligung“ bedeutet, dass wir ganz zu Gott gehören. Im Leben wie im Tod. Es kann nicht schaden, sich vor allem im Leben daran zu erinnern. Die Jubelkonfirmation ist dafür ein guter Anlass. Denn die Welt, in der wir leben, lässt mich zumindest schon öfters daran zweifeln, wie „heilig“ wir es hier haben.

Sicher, man kann manchmal fast verzweifeln an dieser Welt, an den globalen und auch an den persönlichen Ungerechtigkeiten, an den menschlichen Tragödien. Aber nur fast!

Denn auch diese Welt mit allen Abgründen und Sprachlosigkeiten, sie gehört Gott. Sie ist „heilig“. Sie gehört dem Gott, der sich in einem brennenden Dornbusch selbst vorstellt als der „Ich-bin-da“, wie die Übersetzung des hebräischen Gottesnamens lautet.

Gott ist da. Gott ist bei uns und wir gehören zu ihm. Auch und gerade dann, wenn wir es nicht spüren. Wenn die Sorge für den nächsten Tag alles bestimmt. Wenn wir einsam sind oder das Leid dieser Welt uns viel zu nahe geht.

Vielleicht ist das ja die Botschaft des Evangeliums schlechthin. Gott ist da, Gott geht mit uns durch unser Leben und vergisst uns nicht.

Mit dieser Zusage, in der Taufe gegeben und in der Konfirmation bestätigt, mit dieser Zusage können wir gelassen durchs Leben gehen.

Sie schenkt allen Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden Hoffnung und sie macht uns Mut, dankbar zurück zu schauen und dann die Zukunft aktiv zu gestalten.

Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung.

Amen.

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