Bilder für das Unerklärbare (1. Kor 15,35-38.42-44a)

Kalt und dunkel ist es in diesen Tagen. Manchmal habe ich den Eindruck, es will gar nicht mehr richtig hell werden. Die Sonne kommt nur selten durch den wolkenverhangenen Himmel. Und wenn sich mal ein Lichtstrahl blicken lässt, so scheint er von ganz weit her zu kommen, aus der Ferne.

Es ist diese trübe Zeit, in der wir an all diejenigen denken, die im Laufe des Kirchenjahres verstorben sind. Und so ist auch heute, an diesem Totensonntag die Kirche voller als sonst. Viele sind gekommen, um sich zu erinnern. Viele von Euch haben einen lieben Menschen verloren, eine nahe Verwandte, einen guten Freund, oder jemanden aus der Nachbarschaft.

Dieser Sonntag heute gehört ihnen, unseren verstorbenen Menschenbrüdern und -schwestern. Er erinnert uns noch einmal an die schweren Stunden des zu Ende gehenden Kirchenjahres.

An die Gesichter, die vor einem Jahr noch unter uns waren. An gemeinsame Erlebnisse und Begebenheiten. Erinnerung aber auch an die Momente des Abschieds. An das, was wir sagen und tun konnten. Und auch an das, was offengeblieben ist. Unfertig, unausgesprochen.

Bei manchen können dann alte Wunden aufbrechen. Die Erfahrung damals von Ohnmacht und Trauer kommt wieder in den Sinn – so sehr wir auch versuchen, sie weg zu schieben.

Der Tod hat viele Pläne zunichte gemacht. Er hat Gemeinsamkeiten zerstört. Hoffnungen mussten begraben werden. Der Tod ist und bleibt ein tiefer Einschnitt und stellt unser Leben in Frage. Ein Leben, das doch im Alltag so gut ohne ihn auskommt.

Und der Tod wirft Fragen auf: Wie geht es weiter mit unseren Lieben? Geht es überhaupt weiter, oder wartet dort, auf der anderen Seite, das große Nichts? Etwa ein Nirwana, in dem alles verlöscht und in das Menschen eingehen, so dass nichts mehr von ihnen bleibt?

Manche trösten sich auch mit der Vorstellung einer wiederkehrenden Existenz. Da werden Menschen dann wiedergeboren in einer anderen Lebensform. Ein ewiger Kreislauf, in der Hoffnung, nicht verloren zu gehen.

Es bleibt schwierig. Schwierig, dafür Worte zu finden. Oder ein Bild, das in solchen Gefühlslagen von Abschied und Trauer trägt? Wenn ein naher Mensch gestorben ist – wie erklären wir es unseren Kindern, unseren Enkelkindern? Ja, wir erklären wir uns selbst das Unerklärliche? Es geht nur in Bildern.

Manche bemühen dann eigene Bilder. Der Verstorbene sei jetzt „im Himmel“, sitze auf einer Wolke oder sei ein Stern geworden. Wie immer bei solchen Bildern besteht dann die Gefahr, dass man sie allzu wörtlich nehmen könnte.

Wie etwa Juri Gagarin. Als der erste Mensch im Weltall von seiner Erdumrundung wieder gelandet war, soll er gesagt haben, dass er Gott dort oben nicht gesehen hat. Natürlich war das ganz im Sinne des atheistischen Sowjet-Regimes. Aber auch die obersten Sowjets hatten das Trostwort vom „Gott im Himmel“ eben missverstanden.

Wie können wir also von dem reden, was wir nicht aus eigener Erfahrung kennen? Wie können wir in solchen Momenten, die echt weh tun, etwas sagen, dass nicht so schnell missverstanden wird und trotzdem trösten kann?

Unser christlicher Glaube hat sehr verschiedene Bilder entwickelt dafür, was wir nach dem Tod erhoffen können:

Jesus etwa spricht davon, dass in seines Vaters Haus viele Wohnung sind, wo Platz für alle ist und wo wir erwartet werden. Und in der Offenbarung des Johannes, ganz am Ende der Bibel, steht die Vision vom neuen Jerusalem, wo Gott bei den Menschen wohnen wird und weder Tod noch Leid mehr sein werden.

Einige Bilder finden wir auch im Predigttext für heute:

 

Jetzt könnte man natürlich fragen:
»Wie werden die Toten auferweckt?
Mit was für einem Körper werden sie wiederkommen?«
Was für eine dumme Frage!
Das, was du säst,
kann nur lebendig werden,
wenn es zuvor gestorben ist.
Und was du säst,
ist ja nicht die ausgewachsene Pflanze.
Du säst nur ein nacktes Samenkorn,
zum Beispiel vom Weizen
oder von irgendeiner anderen Pflanze.
Aber Gott gibt ihm die Gestalt,
die er vorgesehen hat.
Und zwar jeder Samenart ihre eigene.
So ist es auch mit der Auferstehung der Toten:
Das Leben,
das hier auf der Erde gesät wird,
ist vergänglich.
Aber das Leben,
zu dem wir auferweckt werden,
ist unvergänglich!
Das Leben,
das hier gesät wird,
ist armselig.
Aber das Leben,
zu dem wir auferweckt werden,
ist erfüllt von Gottes Herrlichkeit.
Das Leben,
das hier gesät wird,
ist schwach.
Aber das Leben,
zu dem wir auferweckt werden,
ist voller Kraft.
Gesät wird ein natürlicher Leib.
Auferweckt wird ein vom Geist Gottes
neu geschaffener Leib.                                       (BasisBibel)

Der Apostel Paulus lässt keinen Zweifel daran, dass wir auferweckt werden. Es bleibt nur die Frage, wie und mit welchem Leib.

Und hier benutzt Paulus ein Bild aus der Landwirtschaft: Es wird ein Samenkorn gesät, in die Erde gelegt, um daraus Frucht hervorzubringen. Und zwar jede Samenart ihre eigene Gestalt.

Das ist für mich in diesem Text ganz wichtig: Jeder Mensch, ganz nach seiner eigenen Art, mit allen seinen Besonderheiten und Eigenheiten, mit allem, was sie, was ihn ausgemacht hat, unverwechselbar. Jeder Mensch ist gesät in einem vergänglichen Leben auf Erden.

Aber ganz wie ein Samenkorn neue Frucht hervorbringt, werden wir auferweckt zu einem Leben bei Gott mit einer eigenen Gestalt. Nicht das Äußerliche spielt hier noch eine Rolle, nicht ob einer groß oder klein war, dick oder dünn, reich oder arm. Das, was bei Gott erhalten bleibt, sind vielmehr die „inneren Werte“, was uns jeweils ausmacht.

Das wird auferweckt in einem neu geschaffenen Leib. Wie dieser letztlich aussieht, wissen wir nicht. Und auch wenn jetzt sicher viele von Euch vor dem inneren Auge vielleicht schon so geist-ähnliche Wesen sehen, so bleibt es doch das große Geheimnis Gottes, wie diese Auferweckung aussehen wird.

Bilder davon, wie es nach dem Tod weitergeht, Bilder vom Leben bei Gott „im Himmel“ gibt es also viele. Aber sie bleiben Bilder – schön, trostreich, aber eben doch begrenzt.

Egal welches Bild wir nehmen, wichtig ist doch vor allem eins: Bei Gott sind wir Menschen aufgehoben, an uns erinnert sich Gott. Wir werden nicht vergessen, sondern werden in seiner Erinnerung leben. So, wie es beim Propheten Jesaja heißt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Und so wie wir heute Kerzen angezündet haben für die Verstorbenen, so gibt es auch bei der Taufe eine Kerze. Bei der Taufe macht die Kerze deutlich: Du bist Gott wichtig. Gott begleitet dich. Gott ist das Licht in deinem Leben. Du bist sein Kind.

Die Kerzen heute sagen uns: Das gilt auch für die Verstorbenen. Jede und jeder von ihnen war ein unverwechselbarer Mensch. Er und sie wird nicht vergessen.

Deshalb ist es für uns Christinnen und Christen so wichtig, dass Gott einen Menschen für unverwechselbar und einmalig hält. Deshalb nennen wir auch den Namen bei der Beerdigung.

Deswegen ist es uns auch wichtig, dass an der Grabstelle ein Name steht. Keine anonyme Beisetzung, wo hinterher niemand mehr weiß, wessen irdisches Leben da zu Ende gegangen ist. Denn in der Erinnerung ist Leben. Diese Zusage, dass Gott uns auferwecken wird zu einem unvergänglichen Leben, in dem niemand vergessen wird, das ist für mich tröstlich.

Gott ist da, auch dann, wenn wir ihn vielleicht manchmal in unserer Trauer nicht spüren. Er ruft uns alle beim Namen, wir sind sein.

Wir vertrauen darauf, dass der Tod eben nicht das letzte Wort hat. Sondern dass wir bei Gott auch über den Tod hinaus gut aufgehoben sind, geborgen in dieser Liebe, die keine Grenzen hat.

Das ist letztlich das schönste Bild, wie wir gestern mit den Konfirmanden auf dem Friedhof herausgefunden haben, und es stammt auch vom Apostel Paulus, der es so beschreibt:

Am Ende bleiben Glauben, Liebe, Hoffnung, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Amen.

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