Einige verkünden Christus zwar,
weil sie neidisch auf mich sind
und Streit mit mir suchen.
Aber bei anderen geschieht es durchaus
mit gutem Willen:
Sie tun es aus Liebe.
Denn sie wissen,
dass es mein Auftrag ist,
vor Gericht die Gute Nachricht zu verteidigen.
Die anderen aber,
die Christus aus Eigennutz verkünden,
meinen es nicht ehrlich.
Sie wollen es mir in meiner Gefangenschaft
noch schwerer machen.
Was soll’s!
Ob mit Hintergedanken
oder aufrichtig –
die Hauptsache ist doch,
dass Christus verkündet wird.
Und darüber freue ich mich.
Aber auch in Zukunft
werde ich Grund zur Freude haben.
Denn ich weiß:
Alles, was ich jetzt durchmache,
wird zuletzt zu meiner Rettung führen.
Darin bestärken mich eure Gebete
und der Geist,
mit dem Jesus Christus mich ausstattet.
Ja, es ist meine feste Erwartung und Hoffnung,
dass ich mich nie lächerlich mache.
Im Gegenteil:
Durch das, was mit mir geschieht,
soll in aller Öffentlichkeit
Christus groß gemacht werden.
Dies galt schon immer
und es gilt auch jetzt.
Und dabei kommt es nicht darauf an,
ob ich am Leben bleibe
oder sterbe.
Denn für mich bedeutet Christus das Leben.
Und darum ist Sterben für mich ein Gewinn.
(BasisBibel)
Heute ist Wahltag!
Heut dürfen alle Kirchenmitglieder, die mindestens 14 Jahre alt sind, den Kirchenvorstand wählen. Wir haben uns lange darauf vorbereitet. Meistens geschah das zwar hinter den Kulissen. Erst einmal mussten Kandidatinnen und Kandidaten gefunden werden. Viele Gespräche wurden dazu geführt, Besuche gemacht. Und natürlich gab es zahlreiche Rechtsvorschriften zu beachten. Wir mussten in der Gemeinde auch immer die organisatorischen Dinge im Blick behalten. Fristen mussten eingehalten werden. Es durfte auch formal kein Fehler passieren. Sonst wäre die Wahl noch anfechtbar.
Heute, das ist ein Tag der Kirche, übrigens überall in Niedersachsen. Und es ist auch ein Tag der Demokratie. Denn in unserer Kirche wird die Leitung demokratisch gewählt. Schließlich geht es da um Mitbestimmung. Ja, wir alle dürfen durch die Wahl mitbestimmen, wer in den nächsten sechs Jahren die Entscheidungen zusammen mit dem Pastor trifft.
Für diese Wahlen haben sich schlaue Köpfe das Motto „Kirche mit mir“ ausgedacht. Mit mir – das zielt auf mich, auf dich, auf sie und ihn, auf uns alle, die wir uns beteiligen am kirchlichen Leben.
Und kirchliches Leben gibt es reichlich, gerade auch in Immensen: Gottesdienste gehören dazu, aber auch Kaffee kochen, Menschen treffen, den Alten zuhören, mit Kindern spielen, Jugendliche aushalten, wenn die Eltern schwierig werden.
Kirche mit mir – in die Zukunft: Wie geht es weiter in Immensen? Ab Juni gibt es einen neuen Pastor, ein neuer Kirchenvorstand nimmt zur gleichen Zeit seine Arbeit auf. Es gibt neue Herausforderungen, in unserer Zeit. Das Leben im Dorf verändert sich auch: Die Idee eines Dorfladens hat sich unwiderruflich in den Köpfen und Herzen vieler festgesetzt, der MTV hat zum ersten Mal in seienr Geschichte eine Präsidentin. Aufbruch überall.
Und dann sowas: An diesem Wahlsonntag nun ist uns als Predigttext ein Abschnitt aufgegeben, der ziemlich sperrig wirkt. Ausgerechnet! Der Text steht im Philipper-Brief: Paulus sitzt im Gefängnis, wieder mal, und schreibt der ersten von ihm selbst gegründeten Gemeinde.
Paulus – eigentlich eine schöne Idee für so einen Kirchensonntag. Er war ein Missionar, ohne den die Kirche nie so geworden wäre, wie wir sie kennen. Er war ein Visionär mit Weitblick. Und fähig zur Selbstkritik! Erst eifriger Christenjäger und dann – quasi auf dem zweiten Bildungsweg – zum großen Christusverkündiger. Er denkt über Grenzen hinaus: nationale, ethnische, sprachliche, kulturelle. Er will ein Christentum für die ganze Welt, nicht nur für fromme Jüdinnen und Juden. Und so macht er sich auf den Weg zu den Menschen, die noch nicht so viel von Gott wissen: Er verlässt das Heilige Land Israel, schifft sich ein, bricht auf.Wo er hinkommt, gründet er Gemeinden, meistens kleine Zellen von erstmal drei oder vier Leuten. Und die wirken so authentisch, wie sie sich treffen, zusammensitzen, Geschichten von Jesus hören, diskutieren, miteinander Brot und Wein teilen, aber auch Zeit, Gefühle, Sorgen – und oftmals sogar ihr Geld.
Sowas steckt an, auch heute noch. Zwar gibt es immer noch reisende Missionare, die mit ihrem Charisma Menschen gewinnen für die Sache Gottes. Aber viel mehr noch ist es die Art, wie Christinnen und Christen leben. Wie sie ihren Glauben zum Ausdruck bringen, mit erkennbarem Mitgefühl, mit Leidenschaft, Engagement oder einem großen Sinn für Gerechtigkeit. Wenn wir Christen so leben, dass andere uns danach fragen, warum wir so leben, dann ist das die beste Verkündigung des Evangeliums – ganz ohne weite Missionsreisen!
Zurück zu Paulus und seinem Brief an die Philipper: In Philippi also sind mittlerweile auch andere aktiv. Die verkündigen zwar auch „Christus“, offensichtlich aber aus anderen Motiven, mit anderen Absichten. Paulus unterstellt ihnen, dass sie aus Eigennutz handeln, um ihm zu schaden, vielleicht sein Ansehen zu beschädigen. Genaueres wissen wir nicht.
Paulus aber bleibt gelassen:
„Ob mit Hintergedanken
oder aufrichtig –
die Hauptsache ist doch,
dass Christus verkündet wird.“
Damit kann er umgehen. Entscheidend ist, was am Ende dabei herauskommt. Ob nun Paulus-treue Leute oder eher Paulus-Kritiker – Hauptsache, es geht erkennbar um Jesus. Jesus und seine Botschaft – das soll im Zentrum der Kirche stehen. Der „Markenkern“ sozusagen. „Jesus“ sagen alleine reicht aber nicht. Wir müssen schon ein bisschen tiefer bohren, wenn wir verstehen wollen, was eigentlich verkündigt wird.
Dieser Jesus war ein besonderer Mensch. Seine Zeitgenossen haben im Umgang mit ihm gespürt, dass da eine spezielle Ausstrahlung von ihm ausgeht. Vielleicht nicht unbedingt was Magisches so wie bei Harry Potter, wohl aber eine unglaublich überzeugende Authentizität. Das ist ein schweres Wort, aber es meint, dass das, was einer sagt, mit dem übereinstimmt, was er tut.
Und Jesus redete nicht nur von Gottes Liebe für die Menschen. Er wendete sie praktisch an: Hatte keine Angst vor den hoch Infektiösen, die niemand berühren wollte. Er hatte keine Vorurteile für Menschen, ja ich habe manchmal beim Lesen der Bibel den Eindruck, dass Jesus besonders ein Fan von solchen ist, die bei ihren Mitmenschen nicht gut wegkommen. Die Gemobbten und Isolierten, die Zugezogenen und Zurückgebliebenen, die Fremden und fremd Gemachten.
Irgendwie hat Jesus es immer wieder geschafft, Menschen dazu zu bringen, dass sie ihm vertraut haben. „Vertrauen“ ist ja im Griechischen das gleiche Wort wie „Glauben“. Den Leuten war schnell klar: Wer ihm vertraut, also wer an in glaubt, hat eine echte Zukunft. Eine Zukunft bei Gott.
Darum geht es bei allem, was mit Kirche und Kirchengemeinde zu tun hat.
Und Paulus sagt: Egal, warum die Leute Christus verkündigen, Hauptsache es geschieht. Ich finde, ein bisschen so ist das auch in der heutigen Zeit: Wer verkündet Christus? Die Pastorinnen und Pastoren, klar. Aber auch andere. Eigentlich alle, die Getauft sind und die etwas mit dem viel zu großen Wort „Gott“ etwas anfangen können. Ja, wir alle! Glaubt ihr nicht? Isso.
Wir hier, die wir uns auf den Weg zum Gottesdienst gemacht haben, auch wenn es aus den verschiedensten Gründen war, wir rechnen doch irgendwie damit, dass in unserem Leben Dinge geschehen, die wir nicht erklären können. Dass Menschen zu Taten fähig werden, die man nur schwer erahnen kann.
Zum Beispiel nach der Pflege eines nahen Angehörigen. Oder in der Rush-Hour des Lebens: Ich frage mich manchmal schon jetzt mittendrin, wie wir zuhause das alles schaffen: zwei Pastoren-Jobs, drei Kinder, eine Katze, einen ziemlichen Haufen Freundinnen und Freunde, Musik, Sport, alternde Elternteile. Puh. Also ganz ehrlich, ich kann mir das gar nicht anders vorstellen, dass wir als Familie nicht untergehen, als mit himmlischer Unterstützung. Gottes Kraft im Alltag spüren und das dann auch so benennen, das ist eine Form von Verkündigung.
Aber auch sonst, rechnen wir als Christinnen und Christen ja mit den unmöglichsten Sachen: Dass Feinde einander in die Arme nehmen (vielleicht gibt es ja bald ein Foto von Donald Trump und Kim Jong Un?). Oder dass das Klima vielleicht doch noch gerettet wird? Dass die schwere Krankheit die Familie nicht zerstört.
Wir hoffen auf solche Dinge, wir vertrauen insgeheim darauf, dass es gut wird. Zumindest dass es gut ausgeht für diese Welt, für die Umwelt, für unser Leben. Manche von uns rechnen mit dem Unmöglichen im Dorf: Dass Immensen einen florierenden Dorfladen bekommt. Gestern erst waren über fünfzig von uns in Bolzum und haben sich inspirieren lassen von einem Projekt, dass sich toll entwickelt hat. Und manche rechnen damit, dass unsere Kirchengemeinde von neuem auflebt und eben „Christus verkündigt“. Andere wiederum rechnen damit (oder hoffen zumindest darauf), dass die Liebe dem Tod das letzte Wort wegnimmt. Dass wir am Ende unseres Lebens echt nicht tiefer fallen können, als in die Hand dieses Gottes, von dem Jesus immer erzählt hat.
Das ist alles Verkündigung. Wir tun dies als Gemeinschaft, also als Kirchengemeinde. Und wir tun dies jede und jeder einzeln für sich, gerade dort, wo wir hingestellt sind: in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der KITA, bei der Feuerwehr oder auf dem Fußballplatz. Meistens passiert diese Verkündigung vielleicht ganz, ohne dass wir sie als solche wahrnehmen. Aber sie passiert. Und andere können vielleicht etwas spüren von dieser Kraft.
Ich vermute, Paulus wäre ganz zufrieden mit uns.
Amen.