Jesus erzählt ein Gleichnis über das Reich Gottes:
»Ein Mann veranstaltete ein großes Festessen
und lud viele Gäste ein.
Als das Fest beginnen sollte,
schickte er seinen Diener los
und ließ den Gästen sagen:
›Kommt, jetzt ist alles bereit!‹
Aber einer nach dem anderen
entschuldigte sich.
Der erste sagte zu ihm:
›Ich habe einen Acker gekauft.
Und jetzt muss ich unbedingt gehen
und ihn begutachten.
Bitte, entschuldige mich!‹
Ein anderer sagte:
›Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft
und bin gerade unterwegs,
um sie genauer zu prüfen.
Bitte, entschuldige mich!‹
Und wieder ein anderer sagte:
›Ich habe gerade erst geheiratet
und kann deshalb nicht kommen.‹
Der Diener kam zurück
und berichtete alles seinem Herrn.
Da wurde der Hausherr zornig
und sagte zu seinem Diener:
›Lauf schnell hinaus
auf die Straßen und Gassen der Stadt.
Bring die Armen, Verkrüppelten, Blinden
und Gelähmten hierher.‹
Bald darauf meldete der Diener:
›Herr, dein Befehl ist ausgeführt –
aber es ist immer noch Platz.‹
Und der Herr sagte zu ihm:
›Geh hinaus aus der Stadt
auf die Landstraßen und an die Zäune.
Dränge die Leute dort herzukommen,
damit mein Haus voll wird!‹
Denn das sage ich euch:
Keiner der Gäste, die zuerst eingeladen waren,
wird an meinem Festmahl teilnehmen!«(BasisBibel)
Sonntagmorgen in unserem Dorf: Ein paar gehen Brötchen holen, einige nutzen die frühe Morgenkühle zum Gießen im Garten, zum Joggen oder Ausschlafen.
Nur ein paar wenige machen sich auf zur Kirche:
Da sind ein paar Konfis, auf der Jagd nach einer Unterschrift. Ihr seid „halbfreiwillig“ hier.
Und die neuen Kirchenvorsteherinnen, die vor einem halben Jahr noch nicht gedacht hätten, dass sie sonntagmorgens zukünftig einen „Pflichttermin“ haben könnten.
Und sonst nur ein paar wenige, die sich aufgemacht haben zum Gottesdienst an einem ganz „normalen“ Sonntag.
Wir dürfen nicht vergessen: Zuletzt war das anders! Vor zwei Wochen haben wir den langjährigen Pastor in den Ruhestand verabschiedet. Da war die Kirche so voll wie sonst nur an Weihnachten.
Und letzte Woche haben wir den neuen Kirchenvorstand in sein Amt eingeführt.
Haben diese sechs Menschen gesegnet und ermutigt.
Da waren ja auch zum Teil deren Familien dabei. Und schon war es nicht mehr ganz so einsam in unserer Kirche.
Aber heute, am 2. Sonntag nach Trinitatis, ist es doch recht übersichtlich hier. Und so wie bei uns ist es auch ganz ähnlich in anderen Kirchengemeinden in Niedersachsen, ja überall in Deutschland, auf dem Lande und in der Großstadt.
Warum, so fragen sich und auch mich immer wieder Leute, warum kommen eigentlich so wenige in den Sonntagsgottesdienst? Zwei Drittel der deutschen Wohnbevölkerung gehören einer christlichen Kirche an. Wo bleiben die dann sonntagmorgens? Eine gute Frage.
Aber darüber können wir hier nur spekulieren. Wir können die Abwesenden ja nicht direkt fragen, denn die sind eben nicht da.
Die aber, die da sind, sind immer schon die richtigen. Das weiß auch Jesus. Er erzählt dazu ein Gleichnis, wir haben es gerade in der Schriftlesung gehört.
Da geht es um ein großes Fest. Gäste sind eingeladen, erscheinen aber nicht pünktlich. Da lässt der Gastgeber die Gäste noch einmal daran erinnern, dass es los geht. Heute geht so was nicht mehr mit Dienern, aber WhatsApp und Facebook tun da manchmal gute Dienste.
„Hallo, habt ihr vergessen? Heute ist das Fest! Wo bleibt ihr denn alle?“ schreibt der Gastgeber seinen Gästen. Doch dann piept es in einer Tour auf seinem Handy: Die Absagen kommen rein.
„Kann nicht, mir ist was dazwischen gekommen.“
„Sorry, aber bei mir wird es heute leider nix.“
„Entschuldige bitte, aber ich habe noch eine andere Einladung bekommen.“
„Ey Mann, tut mir echt leid, aber ich bin noch beim Sport.“
Und so weiter und so fort.
Ich fände das ja ziemlich frustrierend. Man kennt das ja: So ein Fest braucht Vorbereitung und macht Vorfreude. Und dann sitzt man mit dem ganzen Partyzeug da und keiner kommt?
Zum Glück ist der Gastgeber ein Kämpfertyp. Will nicht traurig allein die Erdbeerbowle austrinken.
Und was macht er? Er öffnet sein Fest für andere. In der Geschichte sind es Arme, Verkrüppelte, Blinde und Gelähmte. Er schickt seine Diener aus.
Sie sollen die neuen Gäste holen.
Ehrlich gesagt, das sind jetzt Gäste, die man vielleicht nicht unbedingt auf einer Cocktailparty vermuten würde und die man auch nicht total gerne bei sich selbst im Garten hätte. Ganz klar.
Aber dem Hausherrn ist das egal. Das Fest ist vorbereitet, alles ist bereit. Und bevor keiner kommt, sollen sich halt mal diejenigen satt essen, die noch nicht satt sind.
Die noch „hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“ (wie es so schön in der Bergpredigt heißt).
Denen der Magen buchstäblich auf den Knien hängt.
Die ahnen, dass es in dieser Welt noch mehr gibt außer Essen und Trinken und Fußball.
Die offen sind für neue Anregungen. Für Fragen und Zweifel, ob das, was sie in dieser Welt sehen, schon alles gewesen sein soll.
Sie alle sind eingeladen. Und sie kommen. Zahlreich. Sehr zahlreich sogar.
Aber – und das ist doch das eigentlich Wunder-bare an diesem Gleichnis – „es ist immer noch Platz“! Immer noch sind Plätze frei. Also geht der Hausherr noch weiter. Die Diener sollen jetzt auch noch alle holen, die auf der Landstraße rumlungern und an den Zäunen hängen.
Das sind alle diejenigen, die noch gar nicht wissen, dass sie Hunger haben. Denen eigentlich gar nichts fehlt. Unbeteiligte Zeitgenossen, die in ihrem Leben vor sich hinmuckeln und eigentlich so ganz zufrieden sind.
Auch sie werden eingeladen. Nein, sie werden „gedrängt“ zum Fest zu kommen. Damit das Haus voll werde.
Mit der dritten Klasse habe ich in den vergangenen Wochen im Reli-Unterricht das Thema „Kirche“ behandelt. Wir waren auch hier in der Kirche und haben sie uns ganz genau angeschaut. Und irgendwann kam die Frage auf, was den 8 bis 9-jährigen denn hier fehlt. Da war ganz schnell klar: ein Kindertisch.
Mina hat es mit dieser unnachahmliche Weise auf den Punkt gebracht, wie nur Kinder es können. Sie fragte ganz offen: „Und wo bitte sollen die Kinder sitzen?“
Ja, wo ist der Platz bei diesem Fest, das wir jeden Sonntagmorgen feiern, für die Kinder?
Tja, dann haben wir kurzerhand in den kommenden Stunden darüber nachgedacht, wie diese Kirche noch einladender werden kann.
Die Kids hatten so ihre Ideen. Ein paar wollten einen Raum hier einrichten, in dem sie ungestört von den Eltern mal mit der Playstation spielen können. Einer wollte gern ein unterirdisches Bällebad unter der Kirche einrichten und wieder andere finden, dass es eine Rutsche hier braucht.
Abgesehen davon waren sich alle einig, dass ein Tisch mit Malsachen schon ein guter Anfang wäre, damit sich auch Kinder hier willkommen fühlen können.
Und dann haben wir das vorgestern in die Tat umgesetzt: haben zusammen verschiedene Orte in der Kirche ausprobiert und diesen Platz dort an der Wand gefunden, wo in Zukunft Raum für unsere jüngeren Gäste sein soll.
Es gibt natürlich noch viel mehr zu tun, wenn wir wie der Gastgeber in dem Gleichnis unser Fest für alle öffnen wollen, die bisher die Einladung nicht angenommen oder noch gar nichts davon mitbekommen haben.
Das Heilige Abendmahl ist auch so eine Sache:
Bei uns wird es so selten gefeiert wie sonst nirgends im Kirchenkreis. Warum ist das so? Die Älteren unter uns können sich vielleicht daran erinnern aber die meisten nehmen das einfach so hin. War halt schon immer so.
Aber mit dieser Haltung kommen wir nicht weiter, wenn wir unser Haus voll bekommen wollen.
Im Abendmahl zeigt sich doch ganz konkret die Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft, die wir miteinander haben,
als Mitglieder dieser Kirchengemeinde,
als Schwestern und Brüder der Familie Gottes,
als Glieder am Leib Jesu.
Und es zeigt sich die Gemeinschaft mit Gott.
In unserer Runde ist Jesus dabei, wenn wir an ihn denken, wenn wir uns erinnern, dass der Altar nicht unser Tisch ist, dass wir nicht die eigentlichen Gastgeberinnen und Gastgeber sind, sondern Gott allein.
Dass seine Einladung zum großen Fest nicht nur denen gilt, die sowieso schon da sind, sondern besonders denen, die bisher außen vor waren.
Und auch da denke ich besonders an die Kinder.
Hier wird das Abendmahl mit Kindern nicht praktiziert. Auch das wird sicher seine Gründe haben.
Aber wenn wir das Fest für alle öffnen wollen, wenn wir sehen und spüren und schmecken wollen, dass wir nicht ein kleines Grüppchen sind, sondern eine große Bewegung, dann müssen wir dieses Fest des Sonntags öffnen.
Müssen die von den Landstraßen und Zäunen holen, von Spielplätzen und Sportplätzen,
aus Fernsehstuben und Filterblasen, und wir müssen ihnen etwas anbieten!
Denn eines ist ganz klar: Wenn wir wollen, dass die Gäste strömen, dann muss es auch ein Fest geben. Nicht nur Verwaltung der schönen Bibelgeschichten.
Nicht nur theologisch ausgefeilte Predigten mit wissenschaftlichem Tiefgang.
Nicht nur korrekte Hochliturgie.
Sondern ein Fest, mit allen Sinnen,
mit Liedern die man gerne singt,
mit fröhlichem Herzen,
nachdenklich im Blick auf das Leben,
ernsthaft wenn wir Trauernde begleiten,
und lebendig, in allem was wir tun.
Dann wird das Haus voll. Und – ganz nebenbei – unser Herz auch.
Amen.